Forschungsprojekt RES: Religion und ökologische Nachhaltigkeit
Transdisziplinäre Erkundungen an der Schnittstelle von Spiritualität und ökologischer Sensibilität in Südtirol und Österreich
Laut neuesten Studien achten institutionalisierte Religionen zunehmend auf Umweltfragen. Sowohl religiöse als auch politische Leitfiguren haben wiederholt auf die wichtige Rolle hingewiesen, die religiöse Institutionen bei der Förderung eines weltanschaulichen Wandels hin zu ökologischer Nachhaltigkeit spielen können.
Der Dokumentarfilm The Letter (basierend auf die päpstliche Enzyklika Laudato Si`), der kürzlich vom Vatikan nach dessen Beitritt zum Pariser Klimaabkommen veröffentlicht wurde, ist nur ein Beispiel für diese wichtige Entwicklung zur ökologischen Interessenvertretung unter religiösen Leitfiguren. Andererseits haben Studien, wie z.B. Bron Taylor’s Dark Green Religion (2009) auch gezeigt, dass für Umweltaktivisten religiöse und spirituelle Überzeugungen zunehmend wichtig sind.
Die Schnittstellen zwischen Religion bzw. Spiritualität und ökologischer Nachhaltigkeit sind aber besonders in Europa noch wenig erforscht worden. Können Religionen ökologische Nachhaltigkeit unterstützen oder ist das anthropozentrische Weltbild, das einigen der einflussreichsten Religionen zugrunde liegt, ein Hindernis für die Entwicklung ökologischer Sensibilität?
Dieses transdisziplinäre und komparative Forschungsprojekt analysiert, inwiefern christliche Weltanschauungen, Rituale und Traditionen, Menschen helfen können, ihr Umweltbewusstsein (weiter) zu entwickeln und eine nachhaltigere Lebensweise anzunehmen. Wir konzentrieren uns auf das Gebiet Südtirols, das in Bezug auf Nachhaltigkeit eine der am weitesten entwickelten Provinzen Italiens ist und vergleichen es mit seinem Nachbarland Österreich.
Obwohl wir uns für alle christlichen Konfessionen, sowie verschiedene Formen der Spiritualität interessieren, die vom Christentum beeinflusst sind, konzentrieren wir uns insbesondere auf den Katholizismus. Wir analysieren, wie der Katholizismus, der sowohl in Südtirol als auch in Österreich immer noch stark mit der nationalen Identität verbunden ist, mit der ökologischen Nachhaltigkeit zusammenarbeitet.
Wir verbinden einen sozialwissenschaftlichen Ansatz (Anthropologie und Soziologie) mit einer philosophischen und theologischen Analyse:
- Eine soziologische Untersuchung zu Werten und Überzeugungen im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit in Südtirol und Österreich wird uns ein umfassendes Bild davon geben, wie religiöse und ökologische Werte und Theorien miteinander verflochten sind und sich gegenseitig unterstützen können.
- Ethnographische Forschung wird aus einer Bottom-up-Perspektive zeigen, ob das katholische Christentum mit einer umweltbewussteren Weltanschauung und Lebensweise Hand in Hand gehen kann oder ob es ein Hindernis für einen ökologischen Lebensstil darstellt.
- Die Erforschung der theologischen und philosophischen Theorien an den Schnittstellen von Religion und Ökologie wird das Bild vervollständigen. Wir wollen verstehen, inwieweit christliche Institutionen bereit sind, den Anthropozentrismus aufzuarbeiten, der weitgehend mit christlichen Weltbildern verbunden ist, und eine aktualisierte Weltanschauung zu unterstützen, die besser mit ökologischer Nachhaltigkeit vereinbar ist.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden im Brixner Theologischen Jahrbuch 14 (2023) sowie im Beiheft veröffentlicht.